Das nächste Fedora-Release wurde vor einer Woche in der Betaversion freigegeben. Anlass für mich, die KDE-Distro von der Platte zu fegen und durch das neue Gnome 3.2 zu ersetzen.
Ich selbst verwende Gnome 3.0 seit der Fedora 15 Beta auf dem Laptop und bin scheinbar die Ausnahme – viele eingesessene Gnome sind ins XFCE-Exil gegangen. Gnome 3.2 als nächstes stabiles Release könnte einige zurücklocken – bevor aber bittere Tränen der Enttäuschung fließen, möchte ich hier versuchen, einen tieferen Eindruck zu vermitteln, was sich in einem halben Jahr bei dem Gnome-Projekt wirklich getan hat.
Natürlich gilt auch für diese Betaversion, dass sie zwar Feature-complete, aber noch nicht bug-free sind. Ich habe während dieses Schnelltests einige gravierende Fehler gefunden.
Wie sieht es für die XFCE-Exilanten und die Gnome-2-Hardliner aus? Kurz: Bleibt dabei. Wer die lange Version unbedingt haben will, darf sich das hier durchlesen.
Ersteindruck:
Nach dem allerersten Start von Fedora 16 Beta sieht alles dem 15er-Release sehr ähnlich. Das Login Prompt wurde hübscher und das Benutzermenü bekam einige neue Funktionen und ein kleines Facelifting. Ansonsten bekam man die gleiche Gnome Shell wie bei Gnome 3.0.
Handling:
Der Workflow ist exakt gleich wie beim Vorgänger. In der Regel heißt das: Super-Taste drücken (die Windows-Taste 😉 ), Programm/Dateinamen eingeben, auswählen und fertig. Fenster werden immer noch wie gewohnt in andere Workspaces verschoben und das Look and Feel ist immer noch das gleiche. Einige grobe Mankos wurden jedoch ausgebessert. So war es für mich sehr ärgerlich, dass ich dem Dokumentenbetrachter Evince 3.0 zwar zusätzlich Icons in die Werkzeugleiste hinzufügen konnte, jedoch konnte ich die Position nachträglich nicht mehr ändern – beim Versuch verschob sich das ganze Programmfenster.
Im neuen Dokumentenbetrachter hat man das Problem auf eine sehr eigentümliche Weise gelöst: Das Ziehen gelingt zwar, ich kann die Icons aber nur in die Werkzeugleiste ziehen, das Herausziehen endet im Entfernen. Sprich: Es gibt nur die Möglichkeit, Icons auf die vordefinierte Position zu ziehen, oder eben wieder zu entfernen. Naja, immerhin.
Wie versprochen, haben manche Programme von Haus aus das dunkle Adwaita-Theme, das von der Shell angefordert werden kann. Ich sehe da eigentlich keinen echten Nutzen dahinter, aber ganz nett, vielleicht wird da daraus mal was.
Extensions:
Ich installiere gleich einmal das Gnome Tweak Tool und einige Shell Extensions, um zu sehen, was sich dort getan hat. Nach der Aktivierung und einem Upgrade diverser Pakete und dem darauf folgenden Neustart sofort ein Schockmoment. Ich konnte mich nicht anmelden, da einige Extensions fehlerhaft sind. Ich habe mich jetzt auf aufwändige Command-line-hacking-Sitzungen eingestellt, wurde aber positiv überrascht: Gnome selbst bot mir in einem Dialog an, diverse Extensions zu deaktivieren, und mich dann abzumelden. Gesagt – getan – Neuanmeldung: Alles funktionierte wieder wie gehabt. An welcher Extension es jetzt lag, konnte ich noch nicht herausfinden.
Verwaltung von Wechseldatenträgern:
Da gibts nicht viel zu sagen. Was bisher eine dazugepatchte Lösung war, erledigt jetzt die Shell – und sieht dementsprechend integriert aus. Neue Funktionen gibt es nicht.
Drucker:
Das Gnome-eigene Tool für die Druckerkonfiguration hat zwar einige kosmetische Änderungen erhalten, von einem funktionierenden Tool ist es aber dennoch weit entfernt. Ich weiß beim besten Willen nicht, was die Gnome-Leute sich da dabei gedacht haben.
Konfiguriert wird der Drucker also über das Fedora-Tool system-config-printer, das nachwievor im alten GTK+ 2-Look vorliegt – hässlich, aber es funktioniert immerhin.
Das Werkzeug bietet mir gleich an, die nötigen Firewall-Ausnahmen einzutragen, was leider in einem SELinux-Error endet und somit unerledigt bleibt. Das schiebe ich aber auf einen Beta-Bug. Der SMB-Drucker wurde dennoch erfolgreich (mit etwas Handarbeit) hinzugefügt und im Gegensatz zu meinem Fedora 15 konnte auch tatsächlich eine Seite ausgedruckt werden.
Webcam:
Nachdem Cheese in Gnome 3.0 nie richtig funktioniert hat, hat es in der neuen Version einige neue Effekte bekommen – die zur Abwechslung einmal wirklich funktionieren! Als Beta-Bugt würde ich den Effekt bezeichnen, dass sich das Bild bei aktivierten Effekten immer in Rosatöne färbt. Zunächst dachte ich, dass es sich dabei um den Effekt handelt, aber nachdem das bei _jedem_ Effekt auftrat, wurde ich stutzig. Dennoch, Cheese funktioniert weit besser als in Gnome 3.0.
Epiphany:
Eigentlich wollte ich das HTML5-Backend Broadway ausprobieren, hat dann aber nicht funktioniert. Eine nette Neuerung ist das Speichern von Websites als Anwendungsverknüpfung: Ein Verknüpfung im Launcher mit einem neuen Icon wird erstellt. Wenn das Ding gestartet wird, startet Epiphany ohne Symbolleiste u.ä.. Ich werde dennoch beim Firefox bleiben.
Gnome Documents, Contacts:
Zu den zweifellos interessantesten neuen Features gehören diese zwei Apps, die ganz klar die Richtung in Zukunft vorgeben: Die Cloud.
Beide Applikationen synchronisieren derzeit nur mit Google, ist aber sicher auch für andere Cloud services interessant. Contacts bietet ein kleines Adressbuch, das die gefundenen Einträge auch im Launcher anzeigt und Documents bietet eine Dokumentenverwaltung. Die Dokumente werden zwar im Programm angezeigt, für die Bearbeitung wird aber ein Browserfenster geöffnet. Wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.
Sonstiges:
Mir scheint, immer noch, dass das Konzept mit dem Launcher nicht wirklich durchdacht ist. Gerade bei Wine-Anwendungen endet eine Installation in einem heillosen Icon-Chaos. Wenn man das Programm direkt eingibt ist eine Ordnung irrelevant, möchte man jedoch ein Programm suchen, dessen Name unbekannt ist, muss man sich sehr schnell durch den Salat kämpfen, weil eine Ordnerhierarchie fehlt.
Workspaces scheinen eine identische Funktionsweise zum 3.0-Release aufzuweisen, obwohl eigentlich angekündigt wurde, dass etwas daran geändert wurde. Ich habe nichts gemerkt.
Fazit:
Alles in allem wurden einige wirklich lästige Fehler behoben, jedoch ist Gnome 3.2 meiner Ansicht nach noch weit von Gnome 2.x und seinen Konfigurationsmöglichkeiten entfernt. Die Richtung ist klar. Und der harte Schnitt war wahrscheinlich auch nötig. Die ersten Extensions nehmen Gestalt an. Gnome war schon seit der Version 3.0 sehr stabil und es gab beim Release wirklich wenige Bugs. Trotzdem hat man immer noch das Gefühl, in der Wüste zu stehen. Das Control Center ist ziemlich leer und meiner Meinung nach nicht durchdacht. Die Punkte „Bildschirm“ und „Bildschirme“ sind ein mehr als unglückliches Paradebeispiel dafür.